Der Tempelhof
Die Besiedlung des Raumes Oedekoven in vor- und frühgeschichtlicher Zeit kann durch entsprechende Bodenfunde belegt werden. In der Flur „Pütz Bongert“ (zwischen der Tempelstraße und der Medinghovener Straße) fand Herr Johann Manns aus Oedekoven im Jahre 1935 ein römisches Ziegelplattengrab.
Die Gründung des Johanniter- und Templer-Ordens war im Zusammenhang mit den Kreuzzügen erfolgt. Der Templerorden, die Gründung französischer Ritter um 1118, hatte sich den Schutz der Pilger auf dem Weg zum hl. Grabe und die Bewachung der unsicheren Heerstraßen zum Ziel gesetzt. Der bald sehr vermögende Templerorden war auch in Köln ansässig und besaß dort eine Kapelle und, neben anderen umfangreichen Besitzungen, den in Oedekoven gelegenen Tempelhof.
Auf Betreiben von König Philipp dem Schönen von Frankreich hob Papst Clemens V. Im Jahre 1312 den weit verbreiteten Templerorden auf. Dessen Güter in Deutschland wurden dann in der Hauptsache dem Johanniterorden zugewiesen, so auch das Gut in Oedekoven. Dieses vom Templerorden herstammende Gut der Herren von St. Johann und Cordula pachtete 1364 August Wilkin. Noch in Unterlagen aus dem Jahre 1449 erscheint in Oedekoven ein Bauer namens Hennes Tempelmann, der zwar nicht als Pächter oder Halfe der Johanniter erscheint, aber sehr wahrscheinlich seinen Familiennamen durch die Halfentätigkeit eines seiner Vorfahren auf dem Tempelhof in Oedekoven erhalten hatte. In der Steuerdeskription des Jahres 1449 sind die Liegenschaften der Johanniterherren von St. Johann und Cordula, den Besitzern des Tempelhofs in Oedekoven ebenfalls aufgeführt.
Die größeren zusammenhängenden Ländereien des Tempelhofs in Oedekoven wurden für die Herren von St. Johann von einem Halfen für die Hälfte des zu erwirtschaftenden Ertrags bearbeitet. Der durch zahlreiche Schenkungen erworbene Streubesitz konnte nicht vom Tempelhof aus wirtschaftlich bearbeitet werden. Folglich vergab man diese an zahlreiche kleinbäuerliche Pächter gegen jährlich zu leistende Naturalleistungen. Der vom Tempelhof in Oedekoven zu verwaltende Streubesitz erstreckte sich nach dem Lagerbuch auf Abgabepflichtige in:
Alfter, Altenahr, Bonn, Bornheim, Brenig, Burbach, Düren, Duisdorf, Eckdorf, Endenich, Gielsdorf, Heimerzheim, Hemmerich, Impekoven, Kardorf, Köln, Lengsdorf, Lessenich, Merten, Neunkirchen, Oedekoven, Olsdorf, Roesberg, Rheindorf, Roisdorf, Sechtem, Trippelsdorf, Walberberg und Witterschlick.
Der Tempelhof in Oedekoven galt als größter zusammenhängender Liegenschaftsbesitz des Johanniter-Ordens am Vorgebirge. Im Jahre 1449 ist ein Halfe des Tempelhofs namens Morne bekannt. Gillis Schallenberg und seine Ehefrau Katharina waren in den Jahren 1610 bis 1616 das Halfenehepaar und um 1655 bearbeiteten Göddert Dubbelmann und seine Frau Maria als Halfen die Liegenschaften des Tempelhofs in Oedekoven. Sein Sohn Thomas Dubbelmann und seine Frau Katharina Rörich haben wahrscheinlich schon vor 1659 den Tempelhof übernommen, sind aber erst gesichert von 1668 bis 1669 als Tempelhalfen nachzuweisen. Peter Kreins und seine Frau Agnes übernahmen den Hof im Jahre 1669 und waren die Tempelhalfen bis zum Jahre 1684. ab 1684 übernahm Mathias Zerris den Tempelhof in Oedekoven. Zerris, der im Jahre 1690 zum Schöffen des Gerichts in Duisdorf ernannt wurde, muss bis vor 1699 den Tempelhof als Halfe bewirtschaftet haben, bis Heinrich Nettekoven, verheiratet mit Elisabeth Schnögers, Pächter des Hauses und Tempelhalfe und zugleich Gerichtsschöffe in Duisdorf wurde. Deren Sohn Mathias Nettekoven war der nachfolgende Tempelhalfe. Er starb aber bereits von 1739. Der anschließende Pächter und Halfe des Tempelhofs in Oedekoven war Johann Theodor Krings (+ 1784), verheiratet mit Maria Apollonia Honecker.
Aber auch spezielle Weingärtner waren für die eigenbewirtschafteten Weingärten des Tempelhofs tätig. So wissen wir von Joist Braun von Oedekoven, der 1684 der zuständige Weingärtner war, gefolgt von Johann Nolden aus Oedekoven in den Jahren 1690 bis nach 1701. Ob sich die weitere Folge der Weingärtner des Tempelhofs durch die Söhne Franziskus nach 1719 und Theodor nach 1738, der Tempelhalfen aus der Familie Nettekoven erweitern lässt, ist nicht belegt. Aber Franziskus und Theodor erlernten beide in Bonn das Faßbinderhandwerk und waren somit dem Weinbau beruflich eng verbunden.
Die noch in neueren Karten als Tempelmühle eingezeichnete Mühle in Oedekoven, in der Nähe der Gemarkungsgrenze zu Lessenich gelegen, die seit dem 19. Jahrhundert auch Belsmühle genannt wird, wurde nach 1616 gebaut. Der Tempelhalfe Gillis Schallenberg und seine Frau Katharina liehen am 11. Februar 1616 im Namen ihrer Herren von St. Johann und Cordula in Köln von zwei Meistern ein Kapital von 100 Talern zum Bau einer Ölmühle am Hardtbach, nach Lessenich zu gelegen.
Nachdem die Hessen, die plündernd Teile des Erzstiftes Köln niedergebrannt hatten, mußte der Orden an den Wiederaufbau seines Verwaltungszentrums am Vorgebirge denken. Erst im baulustigen 18. Jahrhundert entstand die neue Anlage des Tempelhofs der Johanniter.
Der älteste Bauteil ist ein aus Feldbrandziegeln zweistöckig ausgeführtes Haus mit Hausteinen versehenen Fensterlaibungen. Im Jahre 1755 entstand im Anschluß daran eine Kapelle, die im gleichen Jahr durch den Kapitular des Ordens, Herrn Pelzer, feierlich benediziert wurde. Die ebenfalls in Feldbrandziegeln errichtete Kapelle mit ihrem quadratischen Chor und dreiseitigem Schluß konnte vom Hause und durch eine auf die Straße führende Türe betreten werden. Über der Außentüre der Kapelle war ein Wappenstein der Johanniter mit der Jahreszahl 1755 eingelassen. Diese kleine Kapelle bot nur wenigen Personen Platz und war mit einer kunstvoll geschnitzten Madonna und mehreren Ölgemälden geschmückt, darunter ein Bildnis der hl. Barbara, welches sich heute in Privatbesitz befindet.
1756 folgte die Fertigstellung des dritten Bauabschnitts, des Wirtschaftshofes mit einer großen Toreinfahrt. Der in gleichen Baumaterialien zweistöckig ausgeführte Bau im Anschluß an das Herrenhaus war gänzlich unterkellert und diente offensichtlich als Wein- und Fruchtkeller. Der Schlußstein, der als Korbbogen ausgeführten Toreinfahrt zeigte das Wappen der Johanniter mit der Jahresangabe.
Vor dem Hintergrund der dicht gedrängten kleineren Fachwerkbauten von Oedekoven des 18. Jahrhunderts muß die Gesamtanlage des Tempelhofs, bestehend aus Hof, Herrenhaus und Kapelle, in überragender Lage, am Fuße der Oberterrasse, trotz schlichter Bauausführung, eindrucksvoll gewesen sein.
Nach dem Einmarsch der französischen Truppen in Kurköln wurden die ehemaligen Liegenschaften der Herren von St. Johann und Cordula in Oedekoven säkularisiert und als Donation der Veteranen von der französischen Domänverwaltung übernommen, bis auch diese Liegenschaften wegen des großen Finanzbedarfs des französischen Staates in den Jahren 1804 und 1808 öffentlich versteigert und für eine Gesamtsumme von 56.575 Franken verkauft wurden. Diese Oedekovener Liegenschaften wurden in drei Teile getrennt. Haus mit 95 a Feld und 55 a Weingarten erwarb am 21.8.1804 der Landwirt Th. Faßbender. Die Ölmühle, den Tempelhof und die Kapelle mit 22,17 ha Feld, 1,66 ha Weingarten und 2,85 ha Wiese erwarb am 21.7.1808 der Kaufmann J. Bell aus Bonn.
Mehrere Generationen der Familie Faßbender lebten in der Folge auf dem ehemaligen Tempelhof, dem Teil , Herrenhaus und Kapelle. Der Wirtschaftshof gehörte der Familie Raes. Der Kaufmann Bel, in französischer Zeit auch Mair von Oedekoven, lebte im Jahre 1825 noch als Gutsbesitzer auf dem Tempelhof, dürfte aber schon kurz nachher seinen Besitz am ehemaligen Tempelhof in Oedekoven aufgegeben haben.
Der Katasterplan des Jahres 1875 zeigt die Gesamtanlage des Tempelhofs noch mit intakten Gebäuden, obwohl bereits im Jahre 1864 der Teil des Wirtschaftshofes bis auf die Außenmauern abgebrannt und auch Teile des anschließenden Herrenhauses beschädigt waren. Zu dieser Zeit wurde auch die Kapelle ausgeräumt und Bilder und Madonna in die Oedekovener Kapelle überführt. Der ehemalige Kapellenraum nahm nun die Weinkelter auf, wurde aber im zweiten Weltkrieg durch spielende Kinder in Brand gesetzt und diente, von nun an nur notdürftig überdacht, einem durch Landverkäufe und Erbteilung sich stetig verringernden landwirtschaftlichen Betrieb als Abstellraum. Den Wirtschaftshof des Tempelhofs baute man nach dem Brand von 1860 nicht wieder auf, deshalb stand er noch bis zum gänzlichen Abbruch als Ruine.
Nach einem Umbau im Jahre 1956 sind noch zwei Mauerseiten der ehemaligen Kapelle des Tempelhofs vorhanden. Die ursprünglich auf die Straße führende Kapellentüre wurde zugemauert und der über dieser Türe angebrachte Wappenstein der Herren von St. Johann und Cordula von Köln in eine andere Hauswand eingelassen. Das Herrenhaus ist noch als Wohnhaus erhalten und vermittelt dem Betrachter heute noch eine ungefähre Vorstellung der früheren dreiteiligen Gesamtanlage des ehemaligen Tempelhofs, der das Landschaftsbild des 18. Jahrhunderts am Vorgebirge prägte.